Brasserie Lipp

Die Geschichte der Brasserie Lipp

Die Geschichte einer Brasserie, die zur Legende geworden ist.

 

Die Geschichte beginnt im vorletzten Jahrhundert im besetzten Elsass: Léonard Lipp kam 1880 – wie so viele seiner Landsleute – vom besetzten Elsass nach Paris, wo er sich am Boulevard Saint-Germain 151 niederliess. Zwei Dinge berherrschte er besonders gut: Er konnte gutes Bier von schlechtem unterscheiden und er war Meister in der Zubereitung von Sauerkraut. Das reichte im damaligen Paris zum Leben aus. Mit zehn Marmortischen, Zapfstellen für Bier, ein paar Sauerkrautfässern und einem Namensschild Brasserie des bords du Rhin förderte Lipp die in der eleganten Metropole aufkommende Mode, Sauerkraut zu essen und Bier zu trinken. So rächte er sich ganz persönlich für Sedan und nahm dem Kaiser das Elsass und die Lorraine auf elegante Weise wieder weg. Der Name Brasserie Lipp etablierte sich aber erst, als der alte Lipp sich aus dem Geschäft zurückgezogen hatte. Nach der Jahrhundertwende wechselten die Besitzer in rascher Folge: Martin Barthélemy Hébrard legte den Grundstein zum einmaligen Dekor, indem er die Gebrüder Fargues, Künstler und Spezialisten für Fayence-Malereien, mit der Gestaltung einer der heutigen Räume beauftragte.

Geschichte Brasserie Lipp

Als im Ersten Weltkrieg der Name der Brasserie immer mehr auf Kritik stiess, lies Mme Hébrard den hinteren Teil des Schildes kurzerhand übermalen. Fortan wurden im Lokal mit der seltsamen Bezeichnung Brasserie des bords bei einem Bier die Neuigkeiten von der Front ausgetauscht. Erst im Paris der Nachkriegszeit besann man sich wieder des guten Namens; die Brasserie Lipp fand ihre Freunde sehr bald wieder und der Betrieb war reger denn je zuvor, als im Juli 1920 ein junger Auvergnant, Marcelin Cazes, zusammen mit seiner Frau Clémence das Lokal mit den zehn Tischen und den charakteristischen Fayencen übernahm. Jean Cocteau, Raymond Radiguet, Max Jacob – so viele Berühmtheiten verkehrten jetzt im Lipp, wo die hellwache Clémence hinter der Kasse thronte.

Geschichte Brasserie Lipp

Geschichte Brasserie Lipp

Marcelin Cazes machte auch ohne Absolvierung einer Manager-Schule instinktiv das Richtige. Er wusste nicht, dass sein Sauerkraut „vertrauenswürdig“ zu sein hatte. Es reichte ihm, dass es gut schmeckte. Wachsender Zulauf zog den Anbau des schönen, grossen Saales (durch Architekt Madeline) nach sich. Bei der gleichzeitigen Modernisierung der Inneneinrichtung wurden die Kacheln der alten Fargues durch weitere Fayence-Tafeln, Spiegel und Leuchter ergänzt; letztere wurden mit einer leichten Neigung nach vorn angebracht, sodass man, wenn man mit dem Rücken zum Publikum sass, stets mitverfolgen konnte, was hinter einem vorging. Der Maler Charly Garrey schmückte die Decke mit einem falschen Veronese. Im warmen Licht der neuen Leuchter erschien das neue Dekor so gastfreundschaftlich, dass Marcelin Cazes beschloss, es nie mehr zu verändern.

Geschichte Brasserie Lipp

Die erfolgreiche Geschichte geht weiter

Auch sein Sohn Roger, bei der Eröffnung des neuen Saales 12 Jahre alt und Schüler der vornehmsten Schule des Viertels, sollte nichts mehr am väterlichen Kunstwerk und Geschichte ändern. Wer Lipp sagt, denkt an bekannte Schriftsteller: André Gide, Léon-Paul Fargue. Aber auch die „Politik“ war bei Lipp zu Gast. Genaugenommen hatte Lipp drei verschiedene Kundschaften. Am Mittag Geschäftsleute aus dem Viertel, die an einem ruhigen, seriösen Ort (das Wort „sérieux“ kommt bei Marcelin Cazes immer wieder vor) essen wollten; von 17 bis 20 Uhr Schriftsteller, Buchhändler, Verleger, Magistraten, Funktionäre, Ärzte und Künstler, die beim Apéritif Gespräche und Erholung suchten und am Abend „Tout Paris“.

Heute ist das Lipp 135 Jahre alt und seit 1990 in Zürich vertreten. Die Brasserie ist ihrer Tradition, ihrer Geschichte, ihrer soliden, bürgerlichen Küche und der Pflege der Gastfreundschaft treu geblieben. Viele der alten Kunden sind gestorben. Viele neue sind hinzugekommen. Roger Cazes, 1987 verstorben, hat das Zepter seinem Neffen, Michel Perrochon, übertragen.
Chez Lipp: Fidèle à la tradition